Die Torwartgrätsche oder die Fußabwehr? Torhütertaktik bei Jörg Linker
20 Jan
Jörg

Eignet sich besser die Torwartgrätsche oder die Fußabwehr?

Zur Zeit stelle ich eine neue Strömung in allen sozialen Medien wie Facebook/Instagram und in vielen medial gezeigten Trainingseinheiten fest. Torwartgrätsche oder Fußabwehr! Zur Geschichte dieser Fußabwehr ist zu sagen, dass diese Abwehrform – sich groß zu machen und in einen Handballtorhüterähnlichen Sitz zu springen bzw. in eine Grätsche – schon in den 80ern des vergangenen Jahrtausends entwickelt wurde. Mit wenig Erfolg!

Damals hatte man noch wenig Ahnung um die korrekte Körperhaltung (Gewicht vorne), man war reaktiv unterwegs und versuchte einen anlaufenden Stürmer durch eine offensichtlich große Körperfläche am Torerfolg zu hindern. Die Folge war, dass sich die Stürmer innerhalb kürzester Zeit drei Gegenmaßnahmen einfielen ließen.

Drei efolgreiche Tipps für die Stürmer

1.) der banale Schuss durch die Beine. Einfach wie effektiv – man musste nur warten, der Torhüter würde spätestens im Nahbereich in die breite Grätsche gehen.

2.) auf das lange Eck zielen. Durch die Laufrichtung des Stürmers wurde der Torwart gezwungen, zur Distanzverkürzung mit dem Stürmer in die gleiche Richtung zu gehen. Vorzugsweise hier schon auf dem ganzen Fuß, wobei dadurch das Gewicht schon leicht nach hinten verlagert wurde. Spätestens mit der Ausholbewegung des Stürmers ging es in die breite Grätsche – und der Ball meistens am Arm oder über das abgeknickte Bein vorbei ins lange Eck.

3.) oft versuchte der Torwart den anlaufenden Stürmer durch wildes Herausstürzen und durch einen Grätschsprung in den eng geführten Ball am Torerfolg zu hindern. Folge waren oft Lupfer über den Hüter, der durch die hohe Anlaufgeschwindigkeit und den ausgeführten Sprung in Rücklage geriet und somit leicht zu überwinden war.Einzig unsauber ausgeführte Aktionen unter Stress (meist bei jüngeren, unerfahreneren Angreifern zu beobachten) brachten den Torwart von damals in die Lage, solche Bälle auch mal zu halten.

Wie trainieren die Torhüter heute?

Nun sehen wir die gleiche Technik der Handballtorhüter wieder im Fußballtor. Der einzige Unterschied zu früher ist die Größe der meisten Torhüter. Damit ist die meines Erachtens aber völlig falsch angewandte Technik der Handballtorhüter wieder eingegangen in die Taktik des Fußballtorwarts. Wir sehen jedes Wochenende viele Abwehraktionen im Grätschsitz bzw. „Block“ bei falscher Distanz zum Stürmer, bei automatisierten Bewegungen im kurzen Eck und oft bei zu großer Distanz vorm Tor. Hierbei ist zu sagen, dass sich die meisten Torhüter wieder zum reaktiven, zur Torlinie orientierten Hüter zurückentwickeln. Aber das zumindest im Hype der sozialen Netzwerke und der medial aufbereiteten Torwarttrainings. Anstatt Bälle von außen (Distanz zwischen 8-15m) in den 5er anzugreifen, wird sich passiv zur Tormitte orientiert und dann der „Orang Utan“ ausgefahren. Wenn man nicht angeschossen wird, jubeln meist die Gegner.

 

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Das bei mir wichtigste Element ist die richtige Körperhaltung in einer geduckten Form (dem Stürmer zugewandt) und das Gewicht auf den Vorderfüßen bzw. auf die Hüfte verteilt. Somit hat man für alle folgenden Bewegungen die ideale Ausgangsposition. Der Block ist und bleibt eine gute Abwehrmöglichkeit, aber im absoluten Nahbereich zum Stürmer und gewiss nicht ein automatisierter Sprung in die Grätsche, sondern in den Schuss bzw. abgehenden Ball. Ansonsten sollte der Torwart auf eine sich bietende Gelegenheit warten, um den Ball nach vorne in die Laufrichtung anzugreifen und mindestens weg zu schlagen (besser noch vom Fuß zu nehmen). Dies bedarf etwas mehr Erfahrung und Training, da dieser Vorgang mit Beobachtung, Antizipation, Mut und Körperbeherrschung bzw. Timing zu tun hat.

Kann jeder Torwart die Torwartgrätsche trainieren?

In meinen Trainingseinheiten ist zudem ein hoher Fitnesszustand erforderlich, um diese Art von Ballangriff und Torverteidigung im Raum durchführen zu können. Darum halte ich nichts von der Spezialisierung auf die Torwartgrätsche als Allheilmittel. Ich bevorzuge nach wie vor die nach vorne gewandte Ballangriffsvariante unter Zuhilfenahme eines reaktiven und auf den Ball gerichteten Blocks (etwa in der Standzone). Das, was ich nun im Fernsehen sehe erinnert, auch wenn die Handball WM mit tollen Torhüterleistungen geglänzt hat, an alte und längst überholte Taktiken. Da gibt es seit ca. 15 – 20 Jahren bessere Lösungen.

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